Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 17.5.2018 – 1 U 171/16
Für Kinder nach Vollendung des dritten Lebensjahres besteht kein Anspruch auf den Nachweis eines Ganztagsplatzes in einer Tageseinrichtung. Dies bekräftigt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit seinem Urteil vom 17.05.2018 (Az. 1 U 171/16). Mehrkosten, die Eltern durch die Inanspruchnahme einer privaten Betreuungseinrichtung entstehen, seien zudem nur zu ersetzen, wenn sie unzumutbar sind.
Keine Zusage für städtischen Ganztagsbetreuungsplatz
Die Kläger verlangen von der beklagten Stadt Bad Homburg Schadensersatz wegen einer behaupteten Amtspflichtverletzung. Sie bewarben sich um einen städtischen Ganztagsbetreuungsplatz für ihren dann drei Jahre alten Sohn. Dieser konnte nur bis Ende August 2015 in der bislang besuchten privaten Krippe betreut werden. Da die Kläger trotz Nachfragen keine Zusage für einen städtischen Ganztagsplatz erhielten, meldeten sie ihren Sohn auch in einer privaten Kindertagesstätte (Kita) an. Dort wurde das Kind zum September 2015 aufgenommen. Ende September 2015 erhielten die Kläger eine Zusage für einen städtischen Platz. Da die Kläger mit der privaten Kita einen Jahresvertrag geschlossen hatten, konnten sie diesen Platz erst nach Fristablauf wahrnehmen. Die Beiträge für die private Kita lagen über den städtischen Sätzen.
Mit ihrer Klage begehren die Eltern die Erstattung der Aufnahmegebühr für die private Kita und Ersatz der monatlich entstandenen Mehrkosten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.
Kein individueller Anspruch auf Ganztagsplatz
Im Rahmen der heute veröffentlichten Urteilsgründe betont das OLG, dass die Kläger für ihren dreijährigen Sohn bereits „keinen Anspruch auf Nachweis eines Ganztagsplatzes in einer Tageseinrichtung“ gehabt hätten. Das Gesetz sehe zwar einen Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung vor (§ 24 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 1 SGB VIII). Dies beziehe sich auf Kinder ab Vollendung des ersten Lebensjahres bis zum Schuleintritt. Hieraus erwachse jedoch „kein individueller Rechtsanspruch auf Bereitstellung eines Ganztagsplatzes“. Aus § 24 Abs. 3 S. 2 SGB VIII folge, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zwar im Rahmen seiner Planungsverantwortung sicherstellen sollte, dass bedarfsgerechte Angebote für Ganztagsplätze zur Verfügung stehen. Diese Verpflichtung vermittele jedoch keinen individuellen Anspruch.
Die Nichtberücksichtigung des Sohnes bei der Vergabe von Ganztagsbetreuungsplätzen könne auch nicht aus Gleichheitsgründen einen Schadensersatzanspruch auslösen. „Dass ihnen (…) höhere Kosten als bei Zuweisung eines Platzes in einem städtischen Kindergarten entstanden sind, ist unerheblich“, führt das OLG aus. Bereits der Rechtsanspruch für Kinder unter drei Jahren gebe den Eltern „kein kapazitätsunabhängiges Wahlrecht“ zwischen der Förderung ihres Kindes in einer städtischen Einrichtung oder in einer privaten. Vielmehr beziehe sich die Verpflichtung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zum Nachweis von Betreuungsplätzen in diesem Frühförderungsbereich auf alle Plätze, unabhängig von ihrer Trägerschaft und der Höhe des Teilnahmebeitrags.
Auch für Kinder unter drei Jahren müssten Eltern mit einer privaten Unterbringung verbundene Mehrkosten demnach grundsätzlich selbst tragen. Dies gelte erst recht für Betreuungsplätze von Kindern, die das dritte Lebensjahr vollendet haben. Erst wenn die Grenze zu einer „unzumutbaren finanziellen Belastung“ überschritten sei, käme ein Ersatzanspruch für Mehrkosten in Betracht. Dies hätten die Kläger hier jedoch nicht geltend gemacht.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Vorinstanz: Landgericht Frankfurt a. M., Urteil vom 19.10.2016 – 2-4 O 417/15
Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a. M. vom 24.5.2018